Mit dem Young Migrants Blog in Wien

Eingeladen waren wir beim Volksstimmefest als Teile des Young Migrants Blog und des Migrazines mit der Ausstellung 5 Jahre Young Migrants Blog und dem Panel Stimmen aus der Haymat – Eine (post-)migrantische Intervention. Begonnen hatte das Fest als Pressefest der kommunistischen Wiener Zeitung bzw. Zeitschrift Volksstimme. Glühende Sonne, lebendig und geschäftig war es. Es war schwierig sich zu finden, schön sich zu sehen. Vor Sonne kaum möglich unsere Zuhörer*innen zu sehen, vor Musik kaum möglich einander zu hören, schön, warm, eng, wuselig, lebendig.

Aber was ist dieses „Volk“ für uns und welche Stimme hat es eigentlich? Wir diskutierten diese Frage in einem Gespräch mit denjenigen, die Texte im deutschsprachigen Raum für den Young Migrants Blog oder das Migrazine anfragen, schreiben, redigieren und veröffentlichen – als politischen Ausdruck in Kunst und Aktivismus.

Feben vom Young Migrants Blog eröffnete unterschiedliche Fragen und gab der Autorin Skiba und mir die Möglichkeit darüber zu sprechen, wie wir zum Blog gekommen sind und was das Schreiben beim YMB für uns bedeutet. Wir sprachen über Vielstimmigkeit und Mehrsprachigkeit. Lia berichtete von ihren Erfahrungen bei Migrazine, dem Online Magazin von Migrant:innen für alle und der Anbindung an das Autonome Zentrum von und für Migrantinnen in Linz, maiz, und ihrer kollektiven Redaktionsarbeit. Immer wieder sprachen wir über die Fragilität und Brüchigkeit von Identitäten, von der Komplexität unserer Erfahrungen als Post-/Migrant*innen und von den Momenten, in denen wir uns als etwas erlebt haben, was jenseits dessen liegt, woher wir kommen und wo wir gelandet sind. Darüber sich zu erkennen und Erkenntnisse zu haben, von ihnen zu schreiben. Über Heimat und Zu Hause. Aber auch über die Versuche das Migrantische einzugliedern und die Funktion und Rolle des Staats. Das besprachen wir u.a. anhand eines gelesenen Texts von Shenja vom BigSibling Kollektiv zu Rassismus und der Polizei als Sicherheitsversprechen der Herrschenden für Wenige.

 

In Tagen der identitären und autoritären Formationen, in Zugehörigkeiten und Schicksalsgemeinschaften, in der klaren Formierung von vereinheitlichten Stimmen, in barbarischen Zeiten, getrieben von Ängsten, hin und her geworfen zwischen falschen Versprechen, möchte ich ein Echo formulieren, was für mich aus der Diskussion zu Volk und Stimme bleibt.

Das Volk – völkisch-nationalistische Assoziationen, Ablehnung. Oder aber das Volk als „the people“, das große „Wir“ der normalen Leute, nicht der Herrschenden? Wer ist das Volk? Worüber konstituiert es sich?

Das Volk. Wofür braucht es das überhaupt? Was versprechen wir uns davon? Ist es nicht stets fragil, weil sich nichts festschreiben lässt? Wie oft löst sich, sobald es konkret wird, das Traumschlösschen der Zugehörigkeit in Luft auf und wird zum identitären Alptraum? Sich endlich ganz in etwas wiederfinden – eine unendliche Sehnsucht, ein unerfüllbarer Traum, trügerische Hoffnung, ein Garant für ewige Rastlosigkeit, stets auf der Suche nach „den eigenen Leuten“. Wenn Zugehörigkeit nur so gedacht werden kann, dass es bedeutet Andere als identisch zu erleben, sodass jede Differenz zur Bedrohung wird, will ich sie nicht. Dann macht nichts einsamer.

Die Migration. Heimat finden im „anders sein dürfen“, im „nicht so sein müssen wie die Anderen“, in der Umarmung der Differenz. Aufgeben, dass es etwas geben muss, in dem ich aufgehen und identisch sein kann. Jenseits dieser Vorstellungen existieren und frei sein. Identität ein warmes Versprechen??

Nein, sondern Harmonie, gepanzert mit Zwang.

 

Das heißt nicht, dass es das Gemeinsame nicht gibt. Es entsteht im Wollen, im Begegnen, im Tun, im Kämpfen, im Werden – aber nicht allein durch ein vorgegebenes und unveränderliches Sein. Es entsteht in gemeinsamen Absichten, im Versprechen „count me in“, in der Bewegung – egal, wer wir sind, für das, was sein und werden soll. Dann, wenn wir zusammenkommen, mit dem Wissen um die Differenz und ohne Vereinheitlichung als Ausgangspunkt. Wenn es möglich ist, dass Begegnungen flüchtig sind und wir sie darin dennoch schätzen lernen. Wenn wir einander anerkennen, den anderen erkennen ohne uns gegenseitig mit falscher Identität zu vereinnahmen.

 

Eine (post-)migrantische Intervention – Stimmen aus der Haymat.