Ein Text von Adalet Müzeyyen Erkan

Triggerwarnung: Transfeindlichkeiten, Sexismus, Hass, Diskriminierung

 

13. März. – “Transgender Day of Visibility”

Seit 13 Jahren ein Tag der Sichtbarkeit, Sichtbarkeit für Transpersonen.

Doch sind wir hier überhaupt sichtbar? Überhaupt sicher?

Bietet der Staat und die Gesellschaft uns Rechte, die eigentlich jedem Menschen zustehen sollten oder ist es doch mehr Schein als Sein?

Auf diese und ähnliche Fragen möchte ich in diesem Beitrag eingehen.

Ich spreche hier nicht als Außenstehende, sondern als Betroffene.

Als migrantische Transfrau of Color, die am eigenen Leib erlebt was Hass bedeuten und wie er aussehen kann.

 

 

TERFs

Zwischen all den Diskriminierungen versuche ich mich oft an meine Schwestern, an Feministinnen anzulehnen. Doch was wenn auch welche unter ihnen uns nicht wollen. Uns nicht ernst nehmen. Nicht sehen. Sie, als Mitstreiterinnen: Personen, die ähnliche Kämpfe führen und ähnliche Ziele haben (sollten!).

Dass feministische Kämpfe im Kern den selben Ansatz haben, nämlich die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung aller Geschlechter, besonders die des weiblichen – mag man meinen. Doch beim Diskurs zu Transpersonen spalten sich auch die Meinungen der Feministinnen, oder zumindest der, die sich als welche bezeichnen mögen.

Menschen, wie Alice Schwarzer verleugnen die (Geschlechts-)Identität transidenter Menschen. In ihrem gemeinsamen Interview mit Chantal Louis für das Kulturmagazin “ttt – titel, these, temperamente”, macht sie ihre Meinung zum Trans-Sein ziemlich klar.

Sie beginnt mit den Worten “Trans ist jetzt Mode”, führt aus , dass Transmenschen meist nur sauer über die Geschlechterrollen seien und fährt mit der Frage fort:

“Bist du ’n Junge, der kein Bock hat Held zu sein? Bist du ‘n Mädchen, das kein Bock hat Prinzessin zu sein?”

Alles klar, Alice.

Für Menschen wie Alice Schwarzer hat sich der Begriff der sogenannten TERFs entwickelt.

Dieser ist auf Viv Smyth zurückzuführen und bedeutet im Englischen Trans-Excluding Radical Feminist/Feminism. Also trans-ausschließende radikale Feminist*innen/Feminismus. Diese sind der Meinung, dass eine Transfrau ein Mann und ein Transmann eine Frau sei und bleiben würde. Hierbei wird oft versucht das Argument des “biologischen Geschlechts” einzubringen, also der Bezug auf die körperliche Anatomie und Merkmale, wie das XY/XX Chromosom und der Genitalien. Eine (medizinische) Kategorisierung in “männlich” und “weiblich” zeigt ebenfalls, wie hoch der Bedarf nach Einordnung ist.

Die Tatsache, dass eine Transfrau nicht gebärfähig ist, macht sie nicht weniger zur Frau*. Oder ist das etwa lediglich die Aufgabe und der Sinn der Frau*?

Wie kann das sein, dass sich Menschen mit dem Feminismus und somit im weiteren Sinne mit der Selbstbestimmung, der Gleichberechtigung und Verbesserung der Lebensumstände der Frau* schmücken und gleichzeitig andere aufgrund ihrer Geschlechtsidentität ausschließen?

Jährlich steigt die Anzahl der Gewaltdelikte an Transpersonen.

2021 betrug der Anteil der transfeindlichen Körperverletzungen von allen gesamten queerfeindlichen Angriffen auf 24%.

Nicht “nur” die Gesellschaft diskriminiert uns, auch der Staat und einige Gesetzesregelungen in diesem Land. Einem Land, das eigentlich Heimat für viele sein soll. Doch nur für wen?

 

 

TSG

Seit 1980 besteht das sogenannte Transexuellengesetz (kurz TSG) und regelt die offizielle Namen- und Personenstandänderung  transidenter Menschen.

Seit jetzt über 40 Jahren erschwert das TSG die Änderung der/s Vornamen und des Personenstandes, also dem Geschlechtseintrag in deinen Dokumenten.

Voraussetzung für die Änderung ist u.a. ein Termin vor Gericht und die Begutachtung von 2 psychologischen Fachkräften, wobei Fragen gestellt werden, wie:

“Wie oft masturbieren Sie?

Wie zufrieden sind Sie mit ihrer sexuellen Leistungsfähigkeit?

Kleiden Sie sich gern sexy, auch wenn Sie zum Beispiel nur zur Arbeit gehen oder Besorgungen machen?

Flirten Sie oft?

Versuchen Sie, durch äußere Erscheinung, wie zum Beispiel Kleidung, die Aufmerksamkeit anderer auf sich zu ziehen?

Möchten Sie sich operieren lassen?”

Viel zu hohe Kosten (durchschnittlich ca. 1900€) und ein permanentes Erklären der eigenen Lebensgeschichte und Identität gehören mit zum Prozess. Sowohl schriftlich, in Form eines “Translebenslaufes”, als auch mündlich.

Des Weiteren durften Transpersonen, die ihren Wunschnamen- und Geschlechtseintrag ändern wollten, noch bis vor einigen Jahren nicht verheiratet sein und mussten sich sonst für die Transition scheiden lassen. Eine Zwangskastration bzw. -sterilisation, also die operative Unterbindung der Fortpflanzungsfähigkeit und operative Angleichung der Genitalien, waren Voraussetzung.

Von Entscheidungsfreiheit keine Spur. Und das obwohl der erste Artikel unseres Grundgesetzes plädiert: “Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.”

Doch scheinbar war und ist noch immer die Würde Transidenter nicht so wichtig, oder?

Das Transsexuellengesetz steht bereits seit längerem unter Kritik. U.a. machen sich Aktivist*innen, wie Hana Corrales auf Social Media für die Einführung eines Selbstbestimmungsgesetzes stark.

Also einem Gesetz, das die Fremdbestimmung abschaffen soll, indem transidente Menschen mit einem Gang zum Standesamt ihren Namen- und Personenstand ändern lassen können.

Auf Instagram unter dem Namen “hanahavanna” bekannt teilt die Aktivistin im Mai 2021 ein Video zum TSG und geht viral. Zur Bundestagswahl 2021 konfrontiert sie in der ZDF Live Show Olaf Scholz mit dem Transsexuellengesetz und schafft hier ein weiteres Mal wichtige Sichtbarkeit der Trans-Community.

 

Sicher?heit

Kennst du den Ignotus Peverells Tarnumhang von Harry Potter? Das ist der Umhang, der dich unsichtbar macht. Den wünsche ich mir.

Denn einige starren so sehr, als würdest du nicht merken, wie sie ihre Blicke nicht von dir nehmen können.

Leider bleibt es in einigen Fällen nicht bei Blicken.

Selbst wenn Berlin die queere Stadt in Deutschland ist, fühle ich mich hier nicht sicher.

Die meisten meiner queeren Freund*innen ebenso wenig.

Catcalling (also das Hinterherpfeifen, -rufen oder andere Geräusche) und Sexismus prägen meinen Alltag als Transfrau of Color mittlerweile stark.

Nicht selten werde ich billig angebaggert, angepfiffen, sogar angestöhnt, gefragt, ob Leute mit mir Fotos machen können oder bekomme gesagt mein “göt sei riesig”.

Göt bedeutet im Türkischen “Arsch”.

Als sichtbare Transfrau nehmen sich die Menschen permanent das Recht dich und deinen Körper zu kommentieren und/oder zu beleidigen. Als wärst du kein Mensch, sondern Objekt und würdest nur existieren, um ihre sexuellen Fantasien und Fetische zu erfüllen.

Aber ich bin nicht dein Porno. Ich bin nicht deine Sexfigur.

Ich bin Mensch.

Und du hast deine Fantasien und Meinungen gefälligst bei dir zu lassen.

Besonders wenn du am Anfang der Findung deiner weiblichen Identität bist und dich ausprobierst kann all das besonders verunsichern.

Du bekommst das Gefühl vermittelt, du seist das Problem.

Du müsstest ändern, aufklären, tun. Aber auch ich bin nur Mensch. Auch ich möchte nur leben und nicht permanent aufklären oder Sprachrohr sein.

Letztens an der Bäckerei sprach die Verkäuferin mich auf mein Queer-Sein an und sagte, ihr Neffe sei auch “dings”.

Dings? Können wir erst einmal bitte das Wort queer aussprechen – das ist keine Straftat.

Und zweitens bin ich nicht ständig Ansprechperson zum “Dings-Sein”.

Um meine Eingangsfragen zu beantworten:

Nein, ich finde nicht, dass wir sichtbar und sicher genug in Deutschland sind.

Es braucht u.a. noch viel mehr Aufklärungsarbeit an Schulen, die Abschaffung vom Transsexuellengesetz, Sichtbarkeit in den sozialen Medien und ganz einfach die Akzeptanz, dass Binarität ein Konstrukt der Gesellschaft ist und die Welt weder hetero, noch cis ist.

 

 

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Du kannst mir voll gerne auf IG deine Meinung und Erfahrung zu diesem Thema mitteilen oder auch bei Interesse selbst einen Beitrag zu Queer-feministischen Themen schreiben.

Let’s create sisterhood!

Ich hoffe der Beitrag hat dir Spaß gemacht und bedanke mich für deine Zeit und Aufmerksamkeit.

XOXO

Instagram: missada1et

 

 

 

 

Quellen:

Was sind TERFS?

Was ist Feminismus?

www.ardmediathek.de/sendung/ttt-titel-thesen-temperamente/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3R0dCAtIHRpdGVsIHRoZXNlbiB0ZW1wZXJhbWVudGU

www.queer.de/detail.php?article_id=34928

www.regenbogenportal.de/informationen/diskriminierung-und-gewalt-gegen-transgeschlechtliche-menschen

www.gwi-boell.de/de/2021/03/31/terfs-falsche-freundinnen-feminismus-fuer-privilegierte-frauen

www.lsvd.de/de/ct/6417-Selbstbestimmungsgesetz#:~:text=4.-,Was%20ist%20das%20Transsexuellen%2DGesetz%20(TSG)%3F,ihren%20Vornamen%20%C3%A4ndern%20zu%20lassen.