Vor einiger Zeit sah ich die Architektur meiner Kindheit in einem alten glasigen Augenpaar reflektiert.
In Momenten wie diesen fühlt sich Nähe bedrohlich an. Plötzlich steht sie fest, vor mir, ich kann mich ihr nicht entziehen.

Es zieht an mir.

Wohin es mich zieht, das weiß ich ganz genau und wehre mich so lange, bis ich nur noch vorwärts in Richtung Trauma taumeln kann. Es ist meine Vergangenheit, von der ich mich schon lange distanziert wähnte. Eine geschlossene Wunde, will ich sie überhaupt noch mit Gleichgesinnten, geschweige denn mit euch teilen?

Keine große Sache, denke ich und finde Brandflecken auf alten Kindheitsfotos vor. Die Vorstellung entrückt, all die Wiesenblumen, Gänseblümchen, Löwenzahn, Vergissmeinnicht. Trotz meiner Unschuld bleibt die Asche auf meinem Haupt liegen. Ich möchte davon erzählen, dass sie nicht nur entlang der Deutschlandkarte unter deutscher Flagge wüteten, in Hanau töteten. Es spitzt sich an einem so schamlosen, kleinen Ort zu, ich möchte Schweigen wählen. Bis ich es ein, dann zweimal, jetzt ein weiteres Mal, immer wieder erzählen werde, der Ignoranz um mich herum trotzend.

Vor den Mehrfamilienhäusern mit den sattgrünen Rasenflächen, vor den abenteuerlustigen Kindern und ihrer überschaubaren Welt, vor den arbeitenden Eltern und ihren engen ermüdenden Sichtweisen, liegt das höchste Gebäude im Dorf. Dort drin, auf vier, oder waren es fünf, Stöcke verteilt, leben Kinder, deren Reisen keine Abenteuer waren, deren Welten unerträglich, unverständlich weit weg liegen, leben Eltern ohne Arbeit und mit Lasten, schwer wie der Himmelskörper, egal, wie strahlend blau er unter der Sonne scheint. Egal, wie schwer die Last der Menschen im Hochhaus wiegt, die Rassistischen, Hassenden, sie werden kommen und lauter sein als die Predigen über Nächstenliebe, denn diese verstummen schnell. Alle sind ruhig, ganz ruhig, ganz langsam, sie werden gehen, sie werden weitergehen.

Sie fragen nach unseren Ausweisen und niemals nach unserer Angst. Die Panik erstickt uns fast, solange es die Flammen nicht werden. Ein kollektives Körpergefühl, die Funken bleiben, es tut sich nichts, es tut nur weh.

Wisst ihr, was danach passierte? Ich erinnere mich nicht mehr. Alles entspricht einem Sprint, ich rannte und rannte, bis es wieder und wieder geschah, überall, überall, überall.

Es zieht an mir, entflieht jedoch nicht. Niemand will am Schmerz teilhaben, wenn er keine aktive Bedrohung für einen selbst darstellt.
So lange raste ich, in immer kürzeren Abständen.

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