Es ist ein kalter Wintertag in Westberlin, ich hab Google Maps eingeschaltet, weil ich das Gebäude nicht finde. Ich laufe zwei, drei Straßen entlang, gelotst von der Stimme meines Samsungs. Ich erreiche das Gebäude und finde den Eingang zunächst nicht, bis mir einige Angestellte einer Security-Firma entgegentreten. „Haben Sie einen Termin?“, werde ich gefragt. Ich, etwas verdutzt, entgegne: „Ja, in 20 Minuten.“. Streng blitzt mir der Wachmann entgegen: „Darf ich Ihre Einladung sehen?“. Ein bisschen starr zücke ich erneut mein Handy und zeige dem Sicherheitsbeamten meine Zusage. Nach etwas Stirnrunzeln darf ich passieren und so laufe ich mit rotem Kopf in den vierten Stock des Gebäudes und gelange ins Wartezimmer. Einige Minuten habe ich noch abzuwarten und so hole ich – wenn auch etwas aus der Puste – meine Dokumente aus der Tasche und setze mich auf einen gepolsterten Stuhl. Ich mag diese Wartezimmer nicht. Diese unangenehme Anspannung, ein hässliches Gefühl, das sich durch den ganzen Körper zieht. Nicht wie bei Ärzt*innen, mehr bedrohlich, würde ich sagen. Woran das liegt? Nun, ich befürchte, dass mich nicht sonderlich freundliche Gesichter erwarten werden. Schließlich befinde ich mich nun auch nicht zum ersten Mal in solch einem Gebäude.
Sie lächelt nicht
An diesem Dezembertag sitze ich nicht beim Arzt und auch nicht in der Uni, sondern in der Ausländerbehörde Berlin-Charlottenburg. Auf diesen Termin habe ich knapp drei Monate gewartet. Die Anmeldung erfolgt über eine Online-Plattform der Berliner Verwaltung. Die Terminvereinbarung ist kompliziert, die Anzahl der Anfragen hoch. Somit sind die Termine sehr beliebt und damit schnell vergeben. Ich warte und warte und warte. Um 14.30 Uhr hätte mein Termin stattfinden sollen, um 15.10 Uhr bin ich an der Reihe. Die Berliner Behörden sind grundsätzlich überlastet und so laufe ich bestimmt, wenn auch etwas genervt, in das Zimmer. Ich trete ein und werde nicht begrüßt. Ich frage zunächst, ob ich mich setzen darf. „Was suchen Sie eigentlich hier?“, ist die erste Frage der Sachbearbeiterin.
Sie lächelt nicht. Völlig verdutzt antworte ich: „Ich habe einen Termin und eine etwas komplizierte Sachlage und wollte ein paar Fragen klären.“. Während ich mich langsam setze, entgegnet sie mir mit Eiseskälte: „Hier steht, Sie haben eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, mit der blauen Karte wollen Sie sich doch nicht noch schlechter stellen oder?“
Noch schlechter stellen, als ich schon gestellt bin?, schießt es durch den Kopf.
Schuldzugeständnisse
In diesem Augenblick verstehe ich, was es bedeutet, jemandem den Teppich unter den Füßen wegzuziehen. Für den Bruchteil einer Sekunde denke ich, nicht richtig gehört zu haben. Zwei Dinge stehen in diesem Moment für mich fest:
Erstens, bin ich in der falschen Sachabteilung gelandet. Ich hatte mich mit der Anmeldung bereits sehr schwer getan und habe offensichtlich eine falsche Kategorie gewählt. (Es waren gefühlt sowieso ’nur‘ 90 Optionen, unter denen ich hätte auswählen können, so dass es ja eigentlich gar nicht schiefgehen konnte, denke ich.) Mein Fehler, wohlgemerkt.
Die zweite Sache, die mit dem letzten Satz der Sachbearbeiterin deutlich wird: Ich werde rassistisch diskriminiert, mit allen Mitteln der gewaltvollen Ein- und Zuordnung und im Namen der deutschen Bürokratie. Und das ist nicht mein Fehler.
Schönen Tag noch
Ich werde so sauer, dass ich nicht meinen Mund halten will. Ich beginne mit der Frau zu diskutieren, die mir weiterhin das Recht verwehrt, mich überhaupt erklären zu dürfen. Ich bezeichne diese Anmaßung als Unverschämtheit. Sie beurteilt meine Sachlage, ohne sich jemals überhaupt angehört zu haben, worum es überhaupt geht. „Als Ausländer in Deutschland hat man verschissen. Einen Guten Tag wünsche ich Ihnen!“ – das sind meine letzten Worte an die Sachbearbeiterin, mit denen ich das Zimmer dann auch verlasse. Wütend donnere ich die vier Etagen wieder hinunter. Kurze Zeit später erreiche ich die U-Bahn und sinke schockiert in den Sitz.
Nachklapp
Die oben beschriebene Geschichte ist mir eine ganze Weile durch den Kopf gegangen und es dauerte lange bis ich wieder runtergekommen bin. Später erinnerte ich mich daran, nach diesem Erlebnis sehr müde gewesen zu sein. Einfach müde davon, grundlos von deutschen Behörden getadelt zu werden.
Das Mobbing, das sich die Verwaltungsstellen erlauben. Die Überheblichkeit, mit der man immer wieder zu kämpfen hat. Man wird keines Blickes gewürdigt. Aber sehen wir einmal von der Unfreundlichkeit ab (die man noch in Kauf nimmt, wenn man zumindest ordentliche Informationen erhalten würde):
Was machen eigentlich Leute, die keinen Termin haben und die dringend Beratung brauchen, aber von der Security der Behörde abgefangen werden?
Man bekommt nicht einmal die Gelegenheit eine Frage zu stellen, weil man das Gebäude nicht betreten darf.
Welche Perversion hat die Bürokratie erreicht, wenn man sich als Nicht-deutsche*r Staatsbürger*in keine Informationen beschaffen kann?! Nicht aufgrund von mangelnden Dokumenten oder wie häufig diskutiert wird wegen der fehlenden Sprachkenntnisse. Diese Probleme existieren zusätzlich. Jedoch wird die Barriere im hier geschilderten Fall von deutscher Seite geschaffen und ich möchte an dieser Stelle nicht zum Schwarz-Weiß-Denken übergehen.
Eine Generalisierung ist nicht richtig, sondern ebenso falsch und diskriminierend für alle, die versuchen ihre Arbeit korrekt zu machen.
Bürokratische Hürden solcher Art und Casual-Racism sind Probleme, mit denen Migrant*innen in der Ausländerbehörde jeden Tag zu kämpfen haben und es liegt an uns zu erzählen, was hinter den trüben Türen der Behörden passiert. Nur so können wir bewirken, dass sich etwas verändert, wenn wir uns trauen zu sagen, dass wir diskriminiert werden. Jede*r Migrant*in hat das Recht auf ordentliche Beratung und auf eine menschenwürdige Kommunikation und das, ohne auf den Ausweis reduziert zu werden.