Land - sonniges Landschaftsbild mit grünen Büschen und Sandbergen im Hintergrund.
Kein Ort – eine Sehnsucht.

Deine schwarzen, schwarzen Augen
Dein im Wind fliegendes Haar

 

Ich frage mich häufig, was meinen Vater damals vor 23 Jahren dazu bewegt hat, alles zusammenzupacken. Seine kleine Familie, meine Wenigkeit eingeschlossen, in eine ungewisse Zukunft, in sein Land der Sonne und des blauen, blauen Himmels zurück mitzunehmen. Jetzt über zehn Jahre nachdem wir das Land der Sonne verlassen haben und erneut nach Deutschland gezogen sind, sitze ich hier in dieser kleinen Stadt nahe Frankfurt am Main, höre einen Song, den ich gerade entdeckt habe und kann meine Tränen nicht zurückhalten: Der Sänger singt mit seiner kraftvollen Stimme über seine Geliebte, über ihre schwarzen, schwarzen Augen und ihr fliegendes Haar. Und ich frage mich, was das ist?

 

Was ist dieses Gefühl?

Diese Sehnsucht, die plötzlich so heftig auftaucht, sobald eine bestimmte Melodie ertönt, ich etwas Bestimmtes rieche oder ein Gedicht lese. Ich sehne mich nach etwas, dessen Wurzeln sich in einem Land befinden müssen, das ich damals mit 12 Jahren verlassen habe. Die Frage, die sich nun stellt, ist doch die: Ist auch dieses Land hier das Land der Sonne und des blauen, blauen Himmels? Das gleiche Land, auf dessen Suche sich mein Vater damals mit uns gemacht hat? Eine Suche, die er nach zehn Jahren erfolglos aufgab, um wieder mit uns, dieses Mal zu viert, nach Deutschland zurückzukehren.

Um auf meine Frage zurückzukommen: Ich glaube nicht, dass das Land der Sonne und des blauen, blauen Himmels eine geographische Realität besitzt. Umso realer ist das Land, das ich damals mit meinen 12 Jahren verlassen habe. Die Realität dieses Landes ist heute, wie damals schon, ganz und gar nicht sonnig. Sie ist grau und gezeichnet von Lügen, Ungerechtigkeit, Armut, Unterdrückung und von vom Alltag zerstörten Träumen. Es ist die Realität eines Landes, in dem ich eine Fremde bin.

 

Das Land der Sonne

Das Land der Sonne hingegen, ist ein kleiner Mikrokosmos, entstanden aus Liebe, der Bekanntschaft mit wundervollen Menschen und wunderschönen Erfahrungen, die ich auf Reisen gesammelt habe, und mit „Iran“ verbinde. Mein Land der Sonne ist auch nicht das Land meines Vaters. Obwohl der Mechanismus, der diese unglaubliche Sehnsucht in mir hervorruft, wahrscheinlich der gleiche ist. Ich habe nun, nach einigen wenigen aber vollständig gescheiterten Versuchen, dieser Sehnsucht eine geographische Größe entgegenzusetzen, eingesehen, dass ich die Suche aufgeben und die Sehnsucht gewähren lassen muss. Was das bei mir für fortlaufende Identitätskrisen auslöst, sei Thema eines anderen geistigen Ausflusses. Soviel sei jedoch gesagt, dass ich nun weiß, dass das Land der Sonne mich mein Leben lang begleiten wird.

Ich bin seine Schöpferin, sowie sein willkommener Gast, wann auch immer ich mich danach fühle. Ich muss nur den Weg zu mir selbst nehmen und dort angekommen, meine Sehnsucht mit einem Gedicht, einer Geschichte oder einem Song kultivieren.

Bild: © privat