von Kurdo Ararat
Deutschland, 2016: Ich war neu im Land, sprach kein Deutsch und hatte keine Aufenthaltsgenehmigung. Mein Alltag spielte sich in einem kleinen Dorf in Sachsen-Anhalt ab, geprägt von Unsicherheit und Isolation. Einkäufe auf dem Markt wurden zu Begegnungen mit einer Gesellschaft, die ich nicht verstand – und die mich offenbar auch nicht verstand.
Die Menschen sprachen nicht direkt mit mir, sondern über mich. Ihre Worte verstand ich nicht, aber ihre Blicke und der abwertende Tonfall ließen keinen Zweifel daran, dass ich unerwünscht war. „Warum bist du hier? Geh zurück in dein Land.“ Auch ohne die Sprache dieser Personen zu verstehen, konnte ich solche Botschaften verstehen.
Rassismus in vielen Formen
Ich trug zwar kein Kopftuch und vielleicht wurde ich dadurch weniger stark gedemütigt als Frauen mit Hijab. Dennoch machte ich viele Erfahrungen mit Rassismus.
Diskriminierung nahm dabei verschiedene Formen an: Ich wurde als Ausländerin herabgesetzt und gleichzeitig als Frau in einer Weise behandelt, die mich besonders verletzlich machte.
Rassistische Personen, die sich manchmal nicht trauen, gegenüber ausländischen Männern ihre Härte offen zu zeigen, wenden sich oft mit besonderer Aggressivität gegen ausländische Frauen. Es ist, als ob sie in der Kombination von Fremdsein und Weiblichkeit ein doppeltes Symbol für Schwäche sehen.
Sexismus und Rassismus verstärken sich
Es dauerte einige Jahre, bis ich gut genug Deutsch sprach, um mich mit Menschen über ihre Weltanschauungen austauschen zu können – auch mit Personen, die rechtsgerichtete Ansichten hatten. In Gesprächen mit ihnen wurde mir klar, wie tief der Sexismus in ihre Ideologien eingebettet ist.
Viele dieser Personen betrachten Frauen nicht nur als schwach, sondern glauben, dass eine erfolgreiche Gesellschaft ausschließlich auf patriarchalischen Strukturen basieren kann. Männlichkeit sei ihrer Meinung nach unverzichtbar für Stärke und Erfolg, während Frauen lediglich ein Hindernis darstellten.
Frauen werden als Aktivistinnen ignoriert
Als ich versuchte, Interviews mit rechtsgerichteten Personen zu führen, wurde ich mehrfach abgewiesen. Ihre Begründung war schlicht: Eine Frau könne nicht mit ihnen über politische und soziale Themen diskutieren. Es war offensichtlich, dass sie Frauen ihre Kompetenz absprachen, in gesellschaftlichen Fragen eine Rolle zu spielen.
Diese Erfahrungen führten mir vor Augen, wie schädlich es ist, solchen Personen eine Plattform zu bieten. Ihre Ansichten sind nicht nur gefährlich, sondern sie nutzen jede Gelegenheit, um ihre menschenverachtenden Überzeugungen weiterzuverbreiten.
Ein Leben im Widerstand
Ich habe in den Jahren meines Exils viel gelernt: Diskriminierung ist nicht auf patriarchalische Gesellschaften beschränkt, sondern findet überall dort statt, wo Rassismus und Sexismus aufeinandertreffen. In meinem Fall habe ich diese doppelte Diskriminierung als Ausländerin und Frau am eigenen Leib erfahren.
Doch trotz der Herausforderungen bleibe ich aktiv. Als Frauenaktivistin setze ich mich weiterhin dafür ein, dass solche Ungerechtigkeiten sichtbar gemacht und bekämpft werden. Denn eine Welt, die Frauen als schwach und Menschen anderer Herkunft als Bedrohung ansieht, kann keine gerechte Zukunft haben.
© privat KI