Imane Khelif wins quarter final 66kg women's boxing, Paris 2024 Olympic Games

 

Die Debatte begann, als Khelif in einem Kampf die italienische Boxerin Angela Carini nach nur 45 Sekunden besiegte. Was daraufhin entstand, war eine internationale Debatte darüber, dass eine Frau unmöglich jemanden so schnell besiegen konnte – Carinis white tears verstärkten die Diskussion. [1] Eingeschaltet haben sich daraufhin das transfeindliche Emma-Magazin, das von einem „Schlag ins Gesicht für alle Frauen“ sprach, Joanne K. Rowling, Elon Musk, Donald Trump und sogar Boris Becker. [2] Allesamt nahmen Khelifs Teilnahme an dem Sport als inakzeptabel wahr. Khelif gewann die erste Goldmedaille im Frauenboxen für Algerien. Nach ihrem Sieg verklagte sie unter anderem Rowling und Musk wegen digitaler Hetze und Cybermobbing.[3]

Wenn die Debatte um Khelif eines verdeutlicht, dann, wie präsent Sexismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit im Sport auch heute noch sind und wie die Intersektion von Diskriminierungsformen immer präsent ist. Und wie sehr diese miteinander verflochten sind.  Frauen wie Khelif, die nicht den Normen weiblich gelesene Körper entsprechen, werden aus transfeindlichen Motiven angegriffen. Dass Khelif keine weiße Frau ist, unterstreicht den Verdacht, dass hier mehr als „nur“ Queerfeindlichkeit im Spiel ist. Wie der „ideale“ weibliche Körper auszusehen hat und wie vermeintliche Weiblichkeit performed werden soll, ist oft an eurozentrische und cisnormative Standards aus der Kolonialzeit geknüpft, die bis heute fortwirken. Solche Standards waren schon immer gegen FLINTA of Colour gerichtet.

Hierzu gehörten im Übrigen auch die Ablehnung und Diskriminierung gegenüber dicken Körpern, denn auch Fettfeindlichkeit hat rassistische Ursprünge.[4] Kolonisierende beanspruchten damals eine moralische Überlegenheit in Bezug auf Mäßigung und Selbstbeherrschung, was sie dünn und ihrer Ansicht nach „überlegen“ machte. Diese rassifizierenden Zuschreibungen ziehen sich bis in die heutige Zeit.

Ein prominentes Beispiel für die unfairen Standards, denen Schwarze Frauen im Sport ausgeliefert sind, ist Serena Williams. Williams, die wohl bekannteste Tennisspielerin der Welt, war während ihrer jahrzehntelangen Karriere lange die Zielschreibe rassistischer Zuschreibungen in Form von Memes, Karikaturen oder gezielten verbalen Angriffen.[5] Auch hier wird wieder klar: Besonders Schwarze Frauen werden aufgrund rassifizierender Zuschreibungen maskulinisiert.

Die gesellschaftlichen und medialen Reaktionen während und nach dieser Debatte sind mehr als nur schockierend. Selbst olympische Sportlerinnen werden in erster Linie immer an ihrem Aussehen bemessen, nie an ihrer Leistung. Diese Doppelmoral ist im besten Fall unangebracht, im schlimmsten Fall gefährlich.

Letztlich gibt es nicht den einen Körpertypus, vor allem nicht in den Olympischen Spielen. Menschen wie Imane Khelif, Ilona Maher, Emily Campbell und Sarah Mitton bestätigen das.[6] Seit Kurzem ziert Imane Khelif übrigens die Titelseite der Novemberausgabe der Vogue Arabia und „redefiniert arabische Schönheitsstandards und Macht in der modernen Welt“.[7] „In suffering, champions are born“ – eine Phrase, an die sich Khelif in schwierigen Zeiten immer zurückerinnert. Eine Verkörperung wahrer Stärke.

 

Foto: Imane Khelif wins quarter final 66kg women’s boxing, Paris 2024 Olympic Games“ von Andy Miah auf Flickr, lizenziert unter CC BY-NC 2.0.

Fußnoten:

[1] glossar.neuemedienmacher.de/glossar/white-tears/

[2] www.queer.de/detail.php?article_id=50439

[3] www.fr.de/sport/sport-mix/olympia-boxerin-imane-khelif-geht-gegen-elon-musk-und-rowling-vor-zr-93243726.html

[4] withinhealth.com/learn/articles/the-racist-history-of-fatphobia-and-weight-stigma#:~:text=Fatphobia's%20racist%20origins%3A%20According%20to,food%20caused%20them%20to%20be

[5] www.scirp.org/journal/paperinformation?paperid=76372

www.washingtonpost.com/outlook/2018/09/11/long-history-behind-racist-attacks-serena-williams/

[6] www.instagram.com/p/C-gANpPPDF2/?igsh=MTNwaGhob2VpY3hzeQ==

[7] en.vogue.me/culture/algerian-olympic-gold-medalist-imane-khelif-vogue-arabia-interview/