Eine Rose mit Dornen – Anneli Mariama
In Deutschland kann dein Name der Grund sein, dass du keine Wohnung findest.
Deine Bewerbung abgelehnt wird.
Lehrer nicht an dich glauben.
Ein Name ist Identität und manchmal Privileg, ein Name ist Zugang.
Schönheit, Klang.
Er ist eine Blume.
Doch klingt er zu fremd, wird er zum Hindernis.
Er ist eine Rose mit Dornen
im Auge einer Gesellschaft,
die Ausgrenzung schafft.
Ist es der Name oder die Namensträgerin?
– Schwieriges Verhältnis.
Meine Mutter gab mir einen Namen.
Einen Namen, der von meinen Lehrerinnen leicht auszusprechen war. Einen Namen, der auf dem
Ausweis zur Nationalität passte und den ich von Anfang an mögen konnte, weil er die Angleichung
erleichterte, weil er mich erinnerte, dass ich trotz meiner Hautfarbe hierhin gehören durfte.
Ein Name, der Sinn ergab, wenn ich stolz mit einer weißen Mutter zum Elternabend kam. Wenn ich
zu Weihnachten Semmelknödel mit Kartoffelsalat aß. Wenn ich mich zu Fasching als Pipi
Langstrumpf verkleidete.
– Ein Beweis für meine Normalität.
Meine deutsche Mutter gab mir einen weißen Namen.
Zu meinem Schutz.
Weil sie das (ge)rechte Deutschland schon vor meiner Geburt kannte.
Weil sie die Steine ahnte,
die selbst mit richtigem Namen auf meinem Weg liegen würden.
Der Name, den sie mir gab, bedeutet Stärke.
Ich mag ihn sehr,
mochte ihn lange mehr
als mein Gesicht.
In einem gerechten Deutschland kriegst du wegen deinem Namen keinen Job.
In Deutschland benutzt man Genitiv.
Wegen seines Namens wird er gemobbt.
Wegen ihres Namens bekommt sie keinen Termin.
Deutschland ist genau.
Deutschland ist gerecht.
Gelegentlich
Gerichtet nach rechts.
Ge-
Rechtes Deutschland.
Mein Papa nennt mich Mariama. Rund, warm.
Mariama ist der Duft von schwarzem Tee, der Geschmack von Lamm und Jollof Reis. Es ist das
Ziehen an den Haaren beim Flechten von Braids, es ist der Klang von Fula, die Stimme von
unbekannten Onkels und Tanten aus dem Handy.
Mariama ist ein Versprechen von Heimat.
Ein Ver-sprechen, denn sie war nie wirklich meine.
Der Name ein Vor-sprechen aus einer Familiensprache, die ich nicht verstehe.
Er ist die Seite von mir, die ich lange ablehnte.
Ich habe einen Migrationshintergrund. Was genau das für meine Identität bedeutet, weiß ich nicht.
Andere wissen es besser.
Weis(s)e Besserwisser.
Sagen mir meine Hautfarbe macht mich undeutsch.
Migrationshintergrund heißt unwillkommen.
Kompliziertes Wort für Fremde.
Ich bin deutsche
Und heiße Mariama
Ich liebe den Geschmack von Jollof Reis
Und von Kartoffelbrei
Ich bin Fulani
Meine Namen gehören zu mir, wie Dornen zu einer Rose. Sie sind Privileg und Steine im Weg. Sie
sind Identitätskrise und – findung.
Erst Unsicherheit,
Dann Selbstbewusstsein.
Sie sind ein Teil meines Weges,
Zu mir
credits Beitragsbild: privat