lange war mein weg der einer idealtypischen „integrierten“

bemüht um fehlerfreies deutsch, bemüht um

„nihao“

die korrekte führung meines hausaufgabenheftes

bemüht darum, brav und fleißig und nett zu sein

„sching-schang-schong“

bemüht um emilia galotti, homo faber und hitlers machtergreifung, bemüht um

„geh zurück nach china“

ein gutes abitur

bemüht darum, die sorte migrationshintergrund zu sein

die afd und cdu begrüßen würden

„sie sprechen aber hervorragend deutsch“

bemüht selbst um das dorffest, mithalten beim trinken

einfach machen, was alle (deutschen) machen

bemüht um die aufmerksamkeit der jungengruppe bis –

„hey ninja girl“

egal

weiter geht’s, ich wollte da hin

wo bildung ist

bemühte mich nach dem abi

um bafög, fristgerecht und

eine formgerechte stipendiumsbewerbung

landete mit viel mühe

im hörsaal einer „exzellenzuni“

die eltern der anderen, lehrerinnen, ärzte, anwälte

 

bin lang bemüht

an der uni anzukommen

so reden zu können

wie ne hausarbeit klingt

yoga im unisport, kochen in wgs

essen vom foodsharing, kleidung secondhand

irgendwann hab ichs echt geschafft

„are you the exchange student from hongkong?”

ne typisch linke studentin zu sein

 

bis ich eines tages realisiere

dass das auch bedeutet

meistens

die einzige nicht-weiße person im raum zu sein

die einzige „mit migrationshintergrund“

 

bis ich

in diesen knallweißen räumen

auf einmal

aus dem nichts

ein nicht-weißes gesicht

erspähe

das mich anzieht und abstößt

wer bist du, was machst du hier

ich will deine geschichte hören

aber nein – nicht hier

nicht hier wo wir die einzigen sind

 

und so meide ich beim ersten mal

das nicht-weiße gesicht

damit es nicht peinlich ist

in diesem knallweißen raum

bis ich es eines tages nicht mehr meide und

endlich frage und

teile

was so lange in mir kochte

 

bis dieses teilen etwas in mir öffnet

was nicht mehr zu schließen ist

nie wieder ganz

 

credits Beitragsbild: privat