*Ein Kommentar von Askandar Jafari*
Auswandern wollte ich nicht – ich musste. Als ich Kurdistan aufgrund meiner politischen Aktivitäten verlassen musste, begann ich in Deutschland ein neues Leben. Viele Kurden, die aus ähnlichen Gründen ausgewandert sind, teilen diese Erfahrung. Sie alle suchen Schutz, nicht mehr und nicht weniger. Doch die Frage bleibt: Was dürfen wir tatsächlich von der deutschen Regierung erwarten?
Unterstützung für Diktaturen in Kurdistan
Es ist kein Geheimnis, dass die Regierungen in Iran, Irak, Türkei und Syrien maßgeblich durch die Unterstützung westlicher Staaten stabilisiert werden. Ohne diese Hilfe, insbesondere aus Europa und Deutschland, könnten diese Regime nicht lange bestehen. Dies führt zu einer Fortsetzung des Kolonialismus in Kurdistan.
Ein Beispiel: Seit dem Sommer 2022, als die Frauenrevolution in Kurdistan gegen das iranische Regime begann, hoffte ich, dass Deutschland seine Unterstützung für dieses Regime einstellen würde. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock äußerte sich wiederholt öffentlich und stellte sich auf die Seite der Demonstrierenden im Iran.
Doch die Realität zeigt ein anderes Bild: Während der Revolution stellte das deutsche Unternehmen Siemens dem iranischen Regime Überwachungskameras zur Verfügung, die genutzt wurden, um Demonstrierende zu identifizieren, zu unterdrücken und festzunehmen. Über 150 Menschen verloren dabei ihr Leben. Trotz der Forderung der Gesellschaft für bedrohte Völker hat die Bundesregierung nicht reagiert.
Deutsche Unternehmen und ihre Rolle
Ein weiteres Beispiel ist das deutsch-iranische Unternehmen Abrarvan. Dieses Unternehmen, mit Sitz in Deutschland, war direkt an der Abschaltung des Internets im Iran beteiligt. Ziel dieser Maßnahme war es, Informationen über die getöteten Demonstrierenden von der Weltöffentlichkeit fernzuhalten. Obwohl diese Machenschaften vor zwei Jahren aufgedeckt wurden, bleibt ein Eingreifen der deutschen Regierung bis heute aus.
Es wird oft wiederholt, dass die Europäische Union das iranische Regime sanktioniert. Aber welche Sanktionen sind das? Seit Beginn der Revolution wurden Peschmerga-Truppen und politische Aktivist*innen kurdischer Parteien wiederholt von Drohnen der iranischen Revolutionsgarde angegriffen, wobei Dutzende von Menschen, darunter ein neugeborenes Baby, ihr Leben verloren. Den kurdischen Parteien gelang es, einige dieser Drohnen abzuschießen. Bei der Untersuchung der Teile stellten sie fest, dass sie mit „Made in Italy“, „Made in Poland“ und sogar „Made in Germany“ gekennzeichnet waren.
Solche Beispiele werfen Zweifel an den angekündigten Sanktionen der Europäischen Union auf. Wenn Sanktionen tatsächlich greifen würden, wie können dann Bauteile europäischer Herkunft in Drohnen des iranischen Regimes auftauchen, die für Angriffe auf kurdische Aktivist*innen eingesetzt werden?
Historische Verantwortung und anhaltende Gleichgültigkeit
Der Umgang Deutschlands mit seiner Rolle in der Geschichte Kurdistans ist ebenso ernüchternd. So wurde am 16. März 1988 die kurdische Stadt Halabdscha durch deutsche chemische Kampfstoffe angegriffen. Dieser Angriff, bei dem Tausende Menschen starben, wird bis heute nicht offiziell von der deutschen Regierung als Völkermord anerkannt. Eine Entschuldigung seitens der deutschen Regierung steht aus.
Auch in jüngster Zeit gibt es Beispiele für mangelnde Neutralität: Das türkische Regime hat wiederholt Rojava-Kurdistan angegriffen, Zivilist*innen getötet und die Gebiete Kurdistans destabilisiert. Trotzdem kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz kürzlich an, weiterhin Kriegsmunition an die Türkei zu liefern – Waffen, die zweifellos gegen Kurd*innen eingesetzt werden.
Der Widerspruch der deutschen Politik
Die deutsche Regierung behauptet, auf der Seite der Menschenrechte und der Demokratie zu stehen. Doch in der Praxis sehen wir, wie Diktaturen gestützt werden. Als Kurde erwarte ich keine Unterstützung – ich fordere lediglich Neutralität und ein Ende der politischen und wirtschaftlichen Hilfe für Regime, die Menschenrechte in Kurdistan mit Füßen treten.
Die Hoffnung bleibt, dass Deutschland eines Tages seinen eigenen Werten gerecht wird und aufhört, Unterdrückung zu ermöglichen. Bis dahin bleibt die Realität für viele Kurd*innen ernüchternd.
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