du sagst das ist nicht schön, während sie daran sind, unsere leben kaputt zu machen, zu zerstören, was wir uns hart erarbeitet haben, wofür wir uns schämen. sie sterben, weil wir hier nicht genug unternehmen, weil wir um unsere existenzen besorgt sind, um die nächste miete, den folgeauftrag, den job, die stelle, was auch immer uns lebendig und über wasser halten soll. doch was heißt lebendig unter diesen umständen.
du musst dich entscheiden. noch ein wenig existieren oder leben, dafür kurz. die junge person zeichnet und wünscht mir ein langes leben und intuitiv weiß ich, dass sie ganz genau weiß, warum. sie weiß, dass wir bedroht sind, und unser tun gefahr bedeutet, für uns, weil zu viele sich rausnehmen. so und so viel prozent sind nicht einverstanden, heißt es. aber bereit was zu tun, sind sie nicht. bereit was zu riskieren. ich habe bereits riskiert und mich damit um den schlaf gebracht. der nächste winter ist nah.
wie lange werde ich noch überleben in den ritzen der allee, wo sie die barbaren verorten. bald schon terrorist*innen wittern. propaganda schamlos im tv und niemand unterbricht das. hunde ohne maulkorb sollen jagen.
indem sie hetzen, sichern sich manche ihren platz und man fragt sich nichts mehr, man schüttelt nicht mal mehr den kopf. man will wohl noch ein bisschen bleiben, aber ihre seelen sind längst verkauft. jetzt wo die nachbar*innen offiziell aufgerufen sind, zu denunzieren, kann eins froh sein, wo eins wohnt. vor einem jahr noch träumte ich davon, wie sie die straßen abriegeln, kommen, an die türen zu schlagen und uns raus auf die straße zu stellen, eins nach dem anderen zu holen, einzusperren oder direkt abzuknallen.
wir eilen auf den faschismus zu, in siebenmeilenstiefeln.
checken sie es nicht, oder wollen sie es so. endlich die gelegenheit ihren rassismus rauszulassen. kein bulle ist wie der andere. ihre entstehungsgeschichte interessiert da nicht. dein anspruch ist menschlich. die messlatte hoch. ich bin geklettert und du hast mir dabei zugesehen. meine dankbarkeit ist dein auf ewig. noch im grab werde ich daran denken, hätte wäre könnte… wie hätte es sein können, wäre ich früher, hättest du früher für mich existiert, an mich geglaubt, ein langer gemeinsamer weg, auch dieser geht einmal zu ende. wie das leben jedes einzelnen.
was phantasie war, nur in der vorstellbarkeit existierte, war in der sprache schon da, nicht zufällig, wir wissen was es bedeutet, auch wenn wir manchmal noch immer staunend davor stehen können und die konkretionen nicht begreifen.
das ende der welt wird bleiben, bis wir sterben.
nichts wird nochmal so sein wie es einmal schien. ich zweifle an meinen überlebenskünsten. kriege werden gefüttert mit den armen und kosten die kranken und schwachen zuerst. froh soll ich sein, dass wir hier noch nicht rennen müssen, sagtest du mal. ob du noch daran glaubst. nicht jeder sei so schnell wie ich. aber jetzt haben viele mich schon überholt. es ist kein wettkampf sollte man denken. aber die gedanken bleiben hartnäckig. vorbei am ufer streifen wir durch die laue nacht schlürfen an unseren flaschen vom späti und ziehen schwere schatten hinter uns her. im dunkel der hecken ein rot leuchtender kreis, ein hund lässt sich erahnen, doch zu wem gehört er. du sprichst weiter, von organisierung und berichtest von den kämpfen in schulen und was den kindern widerfährt. gezwungen ihre identität zu verbergen, da drehe ich mich schweigend um, mögliche verfolger*innen zu entdecken. mir schaudert. und wir gehen weiter am kanal entlang. was liegt in unserer macht, was nicht. wenn das lebendig sein, dich terrorisiert, wenn schuld und verantwortung sich auftürmen und dich neu beschichten, wenn die worte nicht mehr kommen wollen, weil die angst dir wie ein fetter kaugummi im rachen steckt, dir die atemwege verklebt, dir die luft raubt. wenn die nächte zum tag werden, weil du brütest über dein schicksal und das der anderen. wenn du überlegst, was du tun kannst, was im umkreis deiner möglichkeiten liegt, wenn du kein auge mehr zu tun kannst, ohne an den skinhead aus der ubahn zu denken, der krächzt und niemand was sagt. wenn du träumst, wie aktivist*innen eine aktion planen und die cops dir schon gefühlt im nacken sitzen.
wenn tag und nacht deine feinde werden.
wenn du dich selbst zerstörst, weil das programm erfolgreich aktiviert wurde. wenn ihre strategie aufgeht, weil du schon nicht mehr klar denken kannst, weil der nebel der angst dich umhüllt und du nicht mehr weiterweißt, außer den einen gedanken denken, den du endlos wiederholen kannst. ich will noch nicht sterben, wie werde ich sterben. wie kann ich selbstbestimmt sterben, ehe sie kommen. ehe ich unendlich qualen leiden muss. mit unsicherheit schreiben, das war einst dein ratschlag. nicht mehr behaupten als wahr ist. angemessen temperieren. angemessene worte waren und sind der schlüssel gewesen, der passt. ich erinnere noch wie du betrunken vor meiner haustür mit dem schlüssel in der hand ums schlüsselloch kreist. ich werde diese eingebung nie vergessen. in den beleuchteten straßen dann gedanken die fliehen, die davon flattern, nicht gedacht werden wollen. die selbstzensur will sich nicht aussprechen. aber wir haben sie längst erkannt, wenn auch das gefieder manchmal wechselt. die zeichen stehen alle auf rot. es bedarf keines boten mehr, um zu wissen, was droht. die vernetzung ist das wichtigste. der informationsfluss. die genauen studien. details, die du verpasst, nicht weißt, können dir leicht zum verhängnis werden. traue niemandem. außer deinen wahren freund*innen und comrades. ich erzähle von den begrenzten kapazitäten, davon, wie ich meine gedanken kaum teilen kann, obwohl sie alles andere als abwegig sind, weil sie direkt zu sorgen führen und zu viel bedeuten. sie überfordern mit zu viel realität auf einmal. oder zu wenig. und ich frage mich, ob ich noch oder schon trauere. was ich brauche, um abschied zu nehmen, und zur entschiedenheit, wo man sich nicht länger was vormachen kann. wo die normalisierung einen im griff hält, wenn man nicht scharf genug nachdenkt und die knoten löst, immer wieder von vorn. es ist eine fitzelarbeit, ständig will sich alles zusammenziehen, was auseinander gehört. was sich nicht gehört.
wir gehören uns nicht.
wir wollen nicht egoistisch sein, wir teilen. wir teilen, was wir können, wir teilen was wir zu geben haben. wir denken über unser uns hinaus. wir begehren auf, für etwas, was wir zu lebzeiten nicht erreichen vielleicht. aber wir erinnern uns an die geschicke und anfänge und all den widerstand, den es überall da gibt, wo unterdrückung herrscht. auf wiedersehen traum. auf wiedersehen ruf. auf wiedersehen familie. auf wiedersehen vergangenheit. auf wiedersehen zukunft. auf wiedersehen geliebter mensch, auf wiedersehen rausch, auf wiedersehen reise, auf wiedersehen unschuld, auf wiedersehen naivität, auf wiedersehen durchgammelte nächte, wein, lagerfeuer, gesang. auf wiedersehen lana del ray. auf wiedersehen mondschein. auf wiedersehen erwachender winterwald. auf wiedersehen uhu. auf wiedersehen schnee und stapfen und spuren und gespenstische gesichter und stöcker und erholungsurlaub und strand und all die ungelesen bleibenden bücher, die sich weiter in die höhe stapeln.
credits Beitragsbild: privat.