In den letzten Tagen meines Auslandssemesters in Australien überkam mich eine Angst davor, wieder nach Deutschland zurückzukehren. „Das ist doch immer so. Nach einem Abenteuer will man nie zurück in den Alltag. Ging mir auch so.“ So ungefähr klangen die meisten Kommentare von Freundinnen in Deutschland, wenn ich versuchte, diesen Gefühlszustand in Telefonaten zu erklären.
Und dann wurde mir, während ich ihren Stimmen aus fünfzehntausend Kilometern Entfernung lauschte, wieder klar: Sie sind weiß, ich bin es nicht. Ich scheine diese Tatsache immer wieder zu vergessen (oder zu verdrängen?). Scheine zu vergessen, dass selbst zwischen mir und meinen engsten weißen deutschen Freundinnen, mit denen ich so viele Lebensphasen weinend und lachend, unterstützend und liebend durchlaufen bin, immer eine dünne, aber trennscharfe Linie existiert hat. Eine Linie, die manchmal breiter wird und manchmal enger, aber nie verschwindet. Und in den letzten Tagen im Auslandssemester war diese Linie so breit, die Kluft so groß wie nie zuvor.
Denn meine Angst drehte sich nicht um das Ende eines Abenteuers. Mein Problem war eben nicht, dass es nach dem spannenden Auslandssemester wieder in die „öde“ Heimat geht, wo „alles beim Alten“ ist.
Nein. Mir ging es um die Rückkehr in ein Land, zu dem ich ein Verhältnis habe, das sich nur schwer in Worte fassen lässt.
Für mich ist Deutschland das Land, in dem ich geboren und aufgewachsen bin, dessen Staatsangehörigkeit ich besitze, seit ich denken kann. In dem meine engsten Freundinnen, mein Partner und meine Familie leben. In dem ich zur Schule gegangen bin und studiert habe. In dem ich mein ganzes Leben gelebt habe.
Und es kommt mir selbst absurd vor, dass ich es trotz all dieser biographischen Fakten nicht schaffe, Deutschland „Heimat“ zu nennen, ja, das Wort in Verbindung mit Deutschland nicht einmal über die Lippen bringe. Irgendwas – ich kann es nicht richtig benennen – hindert mich daran.
Das auszusprechen, aufzuschreiben, fühlt sich komisch an. Ich will fast nicht weitermachen, will all diese wirren Gedanken wieder zusammenpacken und tief, ganz tief vergraben, dort, wo sie so viele Jahre begraben waren. Weil es so lange keinen Platz für sie gab.
Wo hätte es Platz für sie geben sollen in einer süddeutschen Kleinstadt?
Wenn bereits die früheste Kindheit verwoben ist mit Erfahrungen von Diskriminierung und dem Wunsch, nicht aufzufallen, „normal“ zu sein.Wenn Rassismus so sehr Teil des Alltags wird, dass man aufhört, ihn wahrzunehmen. Ihn nicht wahrhaben will.
Nur so hält man die Linie schmal genug, um nicht zu ersticken.