Ich weiß nicht genau, wie ich diesen Text beginnen soll, ohne dass sich meine Gedanken dazu überschlagen. Es ist der Versuch einen kleinen Einblick in einen der wichtigsten Berufe unserer Gesellschaft offen zu legen: dem Beruf der Erzieher:in/ frühkindlichen Pädagog:in.

Die Erlebnisse von Kindern sind die Bausteine für ihr späteres Leben als Erwachsene. Die ersten Jahre sind die entscheidensten und beeinflussen unsere Entwicklung ungemein. Darum ist es so wichtig, dass sich Kinder in erziehungsergänzenden Institutionen wohlgehütet entwickeln können. Leider legen einige Erzieher:innen ein rassistisches Verhalten an den Tag und leider spreche ich aus Erfahrungen, wenn ich sage, dass da auch ein gutes Stück Ignoranz mitspielt. Tragisch an dieser Ignoranz sind die Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder. Das Rassismus-Problem zieht sich durch alle Institutionen. Nur eine anti-rassistische Haltung gibt Hoffnung auf Veränderung.

 

Erstes Jahr als Azubi

In der Einrichtung in der ich arbeitete, sollte ich Bildungsaktivitäten mit Kindern gestalten. Ich entschied mich unter anderem einen Schwarzen Jungen aus der Einrichtung für meine Gruppe einzuplanen. Als ich meiner Anleitung davon erzählte, wurden ihm von allen anwesenden „Fachkräften“ die kognitiven Fähigkeiten abgesprochen. Auf die Frage, wieso er ein altersentsprechendes Angebot nicht durchführen könne, wurde mir geantwortet: „Ja weil der aus´m Busch kommt“. Auf die Frage, was damit gemeint sei, wurde mir plump mit: „Ja, Afrika halt!“ geantwortet.

Im selben Kindergarten sah ich mich nach kurzer Zeit nicht mehr in der Lage irgendeine Wirksamkeit an den Tag zu legen, da ich sehr schnell den Stempel der Nervensäge trug. Deshalb entschloss ich mich rassistische Kinderliteratur aus der hauseigenen Bibliothek dauerhaft zu entnehmen. Denn offensichtlich verstand keine „Fachkraft“ im Haus, weshalb das Buch „9 kleine N*“ schädlich und traumatisch für die Entwicklung Schwarzer Kinder ist. Aus diesem Grund ersparte ich mir das Gespräch darüber und entschied mich für eine direkte Intervention im Wohle der Kinder.

In einer anderen Situation malte eine weiße Kollegin rote Punkte auf die Stirn der Kinder, als Strafe für das Sprechen der eigenen Muttersprache – in diesem Fall türkisch. Hier wurde offensichtlich verpasst, oder viel mehr ignoriert, das Bilingualismus sehr förderlich für die kognitive Entwicklung eines Kindes ist. Abgesehen davon, dass man es in diesen Fall als Körperverletzung benennen könnte. Zum „Glück“ meiner rassistischen Kollegin, waren sich die Eltern darüber nicht im Klaren…

Nicht selten gab es Diskussionen mit Kolleg:innen, die jedes Mal den Tränen nahe waren, wenn ihre geliebte Pippi Langstrumpf kritisiert wurde. Dabei handelt es sich in diesem Buch um wenige Wörter, die verändert werden müssen, um es für den pädagogischen Alltag brauchbar zu machen. Selbige Kolleg:innen finden es sei förderlich und wichtig Kindern das Buch „9-kleine N*“ vorzulesen.

Inzwischen breche ich Gespräche dieser Art aber ab und sage sehr deutlich, dass Grenzen überschritten werden. Denn diese Menschen sind nicht interessiert daran, den Raum diskriminierungsfrei zu gestalten und sich selbst zu reflektieren. Ich werde ohnehin schon schlecht bezahlt, da habe ich keine extra-Energie für Corinnas, die nichts dazulernen wollen. Ein kurzes aber starkes Signal, welches vermittelt, dass es keinen Platz für ihre Monologe gibt, erwies sich bisher als effektivste Herangehensweise.

Aber was habe ich auch zu Beginn meiner Ausbildung erwartet? In meiner ersten „Umwelt – verstehen und leben“ – Stunde, habe ich meine Lehrerin darauf hingewiesen, dass das Z-Wort diskriminierend ist. Beim Äußern dieser Kritik habe ich mich so unterwürfig verhalten, dass es eigentlich keine Chance gegeben hat, mich irgendwie abzustempeln. Ihre Antwort darauf war: „Ich habe das Wort bewusst ausgesprochen und werde es auch weiterhin tun.“ In meiner Facharbeit über Diversität gab sie mir eine 4 mit der Begründung, dass die Arbeit zu subjektiv sei – ich würde mir das Rassismus-Problem nur einbilden.
Währenddessen versuchte unser Lehrer der Religionspädagogik stetig zu erklären, dass ein Kopftuch in Deutschland nichts zu suchen hat.

Unser Lehrer in Bewegungspädagogik versuchte uns zu vermitteln, dass manche „Rassen“ (sic!) biologische Vorteile haben – das sei Fakt, denn er habe es in der Uni gelernt. Es sei also wissenschaftlich fundiert. Da frage ich mich, wann wird weißen Akademiker:innen erklärt, dass Immanuel Kant kein Vorbild für die Wissenschaft ist und seine Theorien alles andere als fundiert sind.
Bei einem Vortrag über Rudolf Steiner machte ich den Fehler und sprach seine Karriere als Nazi und Ethnopluralist an. Daraufhin wurde mir vorgeworfen, ich nehme zu viel Raum ein und sei zu aggressiv. Das bringe ein unangenehmes Klima in die Klasse. Da war ich nun, am Ende meiner Ausbildung und Kräfte. Im Lehrer:innenzimmer war ich schnell bekannt.

 

Neue Einrichtung.

Gleich zu Beginn stand eine Entrümpelungsaktion an. Unsere Aufgabe war es, unbrauchbare Dinge zu entsorgen und alles zu ordnen. Am Ende des Tages fand ich eine makellose Schwarze Playmobilfigur im Mülleimer. Der unsensible Umgang mit repräsentativem Spielmaterial, hat mich traurigerweise nicht so überrascht wie die Tatsache, dass wir überhaupt Schwarze Spielfiguren besaßen. Denn die Repräsentation der Kinder im Spielmaterial wurde kein einziges Mal in der Ausbildung besprochen. Von wem auch? Schwarze Puppen, Kinderbücher in denen nicht von Lisa und Tim gesprochen wird sind wichtig für die Stärkung der Identität. Repräsentatives Spielmaterial verhindert die Entfremdung der eigenen Identität und stärkt das Selbstbewusstsein und das Zugehörigkeitsgefühl in dieser Gesellschaft.

Da ich noch sehr neu im Team war, musste ich mir meine Battles gut aussuchen. Ich nahm die Spielfigur mit nach Hause, meldete es dennoch der Leitung. Diese sprach den Vorfall auch tatsächlich im Team an. Oft ist es aber nicht möglich, weißen Pädagog:innen direkt zu sagen, wie rassistisch ihr Verhalten ist. Die meisten machen nach einer Rassismus-Kritik komplett zu.

Auch antikurdischer Rassismus spielte in meiner bisherigen Laufbahn oft eine Rolle. Kolleg:innen die Erdogan gut finden und Kurdistan als eigenen Staat nicht anerkennen. An einem Arbeitsplatz, schaffte es ein Kollege türkischer Migrationsbiografie, mir bei der ersten Kontaktaufnahme zu sagen, wie sehr er alle Kurden hasse. Auf seinem Körper sichtbare Tätowierungen von Wölfen. Wieder habe ich das Gespräch unterbrochen und wieder fragte ich mich, wie kann es sein, dass so eine Person eingestellt wird. Auf der Homepage wurde schön mit „MultiKulti“, „BunTeM anGebOt“ (was auch immer das heißen soll) geworben UND es wurde Hilfe in allerlei Sprachen, darunter auch Kurdisch, angeboten. Lange habe ich es dort auch nicht ausgehalten.

Alle genannten Situationen sind mindestens(!) eine Abmahnung wert. Dadurch, dass diese Form von Rassismus so stark institutionalisiert ist, wird es jedoch in den meisten Fällen nicht so sein, dass Täter:innen mit einer Kündigung gedroht wird. Alle dürfen ungestört weiter diskriminieren und werden dafür auch noch bezahlt. Im Gegenteil dazu haben Personen, die gewaltvolles Verhalten ansprechen und sich dagegenstellen, zu befürchten aus dem eigenen Raum geekelt zu werden.

Das ist nur ein kleiner Einblick in dieses strukturelle Problem. Das deutsche Bildungssystem hat so viele Lücken, dass es fraglich ist, welche zuerst gefüllt werden muss. Eine davon ist der Umgang mit Rassismus. Meiner Meinung nach gehört rassistisches Verhalten zur Kindeswohlgefährdung und sollte klare Konsequenzen mit sich ziehen. Pädagog:innen, die sich in dieser Hinsicht nicht weiterbilden wollen, haben in diesem Beruf nichts zu suchen. Packt eure Nazi-Literatur ein und geht einfach. Tut es für die Heranwachsenden dieser Gesellschaft, bitte.

Meine Informationen und Erfahrungen beziehen sich auf fünf verschiedene Einrichtungen. Inzwischen bin ich mir sicher, dass ich mehrere Bücher damit füllen könnte. Glücklicherweise hatte ich am Ende meiner Ausbildung meine ganze Klasse hinter mir. Das hat mir sehr viel Kraft und Hoffnung gegeben.

 

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